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2015

Race Across America

Wie kam es zum DNF? Persönlicher Bericht über das RAAM 2015

Mittlerweile geht es mir wieder gut, ich bin fit, habe die Freude am Radfahren wieder gefunden und trainiere wieder regelmäßig. Trotzdem möchte ich das RAAM noch einmal Revue passieren lassen und die Geschehnisse aus meiner Sicht schildern.

Resultat: Das Ergebnis beim RAAM ist ja bekannt: Ich musste das Rennen aus gesundheitlichen Gründen nach 2730km vor der TS 30 in Fort Scott, Kansas, vorzeitig beenden. Die enorme Hitze, die damit verbundenen Probleme mit der Ernährung und der längere Verbleib in der Höhe der Rocky Mountains lösten das gleiche Phänomen wie 2009 aus: Ich litt unter Verdauungsproblemen und enormer Müdigkeit, entwickelte Wassereinlagerungen und ein Lungenödem, das sich noch mit einer Bronchitis verschlimmerte. Der Abbruch war eine notwendige Entscheidung zugunsten der Gesundheit. Es wäre fahrlässig gewesen mit dieser Krankheit weiterzufahren, Spätfolgen hätten nicht ausgeschlossen werden können.

Hitze: So heiß wie 2015 war es beim RAAM, seitdem ich gestartet bin, noch nie. Aufgrund der Temperaturen wurde die Ernährung oder besser gesagt die Verdauung zum Problem, obwohl wir auf mein bewährtes Konzept aus GSFood Energizer und Ensure setzten. Zusätzlich hatte ich viel öfter mit Müdigkeit zu kämpfen, bereits in der ersten Nacht musste ich mich mit aller Kraft gegen Anflüge von Sekundenschlaf wehren. Wenn man sich die Tabelle mit den Wattwerten anschaut (siehe Leistungswerte RAAM 2015), sieht man, dass schon ab der TS2 die Leistung stark abfiel. Erst nach etwa 12 Stunden fand ich meinen Rhythmus wieder, ich fand in den Flow und es folgte...

 

Die perfekte Phase: Nach der TS3 in Blythe mussten wir an einer Baustelle stoppen und für circa 10 Minuten warten. Diese Minipause nutzte ich für einen kurzen Powernap und danach war ich wie ausgewechselt. Es lief perfekt, ich genoss die kühleren Nachtstunden, erholte mich und war schnell unterwegs. Die Abschnitte nach Prescott, Cottonwood und Flagstaff fuhr ich in etwa gleich gut wie 2014 und konnte mich an die Spitze des Feldes setzen. Durchs Monument Valley konnte ich meine Führung von 4 Stunden bis Montezuma Creek stabilisieren, fühlte mich aber nicht mehr ganz so gut und musste mich durchkämpfen. Am nächsten Morgen, nach der TS 14 in Cortez, trafen mich die nächsten Tiefs.

 

Sturzgefahr: Durch die hartnäckige Müdigkeit kam ich öfter in Phasen, wo ich mit Sekundenschlaf kämpfen und mich mit allen Tricks wachhalten musste. In den Abfahrten war ich in manchen Phasen sehr unkonzentriert. Es gelang mir nicht, diese Müdigkeit abzuschütteln, weder durch Aufmunterung vom Team, noch durch Selbstgespräche, geschweige denn durch Koffein. Dazu kam auch noch Pech: das Wohnmobil hatte eine Reifenpanne und steckte in der Nähe der TS Alamosa in den Bergen fest. Daher mussten wir die Pause in der Höhe (knapp über 2000m) machen, da die Abfahrten im übermüdeten Zustand zu gefährlich gewesen wären und wir keinen Sturz riskieren wollten.

 

Höhenkrankheit: Am letzten 3000er Pass, dem Cuchara, zeigte das Thermometer permanent über 30°C an. In den Jahren zuvor konnte ich diesen Berg immer in der kühlen Nacht überqueren, doch heuer musste ich mich in der Mittagshitze den unrhythmischen Anstieg hinauf quälen. Mein Vorsprung auf Sevi Zotter schmolz dahin, und ich wurde auch bald von ihm eingeholt. Sevi und seine Betreuer hatten aufbauende Worte für mich und wollten mir alles Gute wünschen, doch ich war wortkarg und musste ihn ziehen lassen. Als ich endlich auf der Passhöhe (3029m) angekommen war, war mein Zustand sehr schlecht, ich war kurzatmig und die Sauerstoffsättigung im Blut war sehr niedrig. Ich rollte vorsichtig bergab und wir pausierten auf einer Seehöhe von 1800 Metern, wodurch sich die Symptome der Höhenkrankheit etwas bessern konnten. Diese war sicher auch durch die gesamte Dauer auf dem Hochplateau in den Rockies entstanden, in Summe brauchten wir 20 Stunden um die drei 3000er Pässe zu überqueren, 2014 im Gegensatz nur 13 Stunden (gemessen von der TS Pagosa Springs zur TS Trinidad).

Weiterfahrt: Nach der Pause besserte sich mein Zustand und wir rollten locker aus Colorado Richtung Kansas. Die Strecke verlief immer leicht fallend, wir kamen aus der Höhenlage in die Tiefebenen des Mittleren Westens, was für die Lunge natürlich gut war. Doch am nächsten Tag wurde es wieder sehr heiß und ich konnte nicht wirklich moderat fahren, alleine die Temperatur war eine Belastung für meinen angeschlagenen Organismus. Gegen Ende des Tages wurde meine Verfassung wieder schlechter und in der Nacht musste eine Entscheidung gefällt werden: Nach ausführlicher medizinscher Untersuchung meldeten wir bei der Rennleitung das DNF. Eine Weiterfahrt wäre neben einer nachhaltigen Gesundheitsgefährdung nur mit Medikamenten möglich gewesen, und das wäre mit meiner Einstellung zum Sport nicht vereinbar.

Stürze beim RAAM 2015: Offensichtlich hatten die schwierigen Bedingungen Auswirkungen auf viele Fahrer, denn 2015 gab es leider mehrere Stürze. Die fürchterlichste Nachricht kam vom Dänen Anders Tesgaard: Er wurde in der Nacht auf dem Appalachian Highway von einem Truck angefahren und ist seither mit Schädel- und Rippenbrüchen noch immer im künstlichen Tiefschlaf. Unsere Gedanken sind bei ihm und wir wünschen ihm alles Gute und dass er sich vollständig erholen wird! Das ist eine echte Tragödie und erschüttert die ganze RAAM-Community.
Auch Gerhard Gulewicz wurde von einem Motorrad angefahren und kam glücklicherweise mit Abschürfungen glimpflich davon, genauso wie Scott Ragsdale, der in der Abfahrt vom Wolf Creek Pass aus der Kurve flog und mit Platzwunden und Prellungen ein DNF melden musste. Valerio Zamboni stürzte in der Vorbereitung schwer und konnte nicht zum RAAM antreten. In Anbetracht dieser Tatsachen wurde mir wieder bewusst, wie gefährlich das RAAM sein kann, und ich bin froh, in den Abfahrten kein unnötiges Risiko eingegangen zu sein.

Fazit: Wenn der Körper streikt und die Gesundheit nicht mitspielt, kann man keinen Erfolg erzwingen. Man kann beim RAAM sehr vieles, aber eben nicht alles planen, es bleibt immer ein Restrisiko und eine kleine Lotterie. Nach 6 RAAM-Starts halte ich bei 4 Finishes und 2 DNFs. Das zeigt, dass niemand vor einem DNF sicher ist, selbst 5-fach Sieger Jure Robic hatte bei einem seiner 2 DNFs mit einem Lungenödem zu kämpfen. Von den RAAM-Mehrfachsiegern sticht allerdings ein Fahrer mit einer besonderen Statistik heraus, die man gar nicht hoch genug einschätzen kann: Wolfgang Fasching konnte alle seiner 8 Starts auf dem Podium beenden!
Trotz aller Probleme war ich lange Zeit auf Kurs um mein Ziel, ein Finish unter 8 Tagen, zu erreichen. Die zwischenzeitliche Führung von 4h war ein Indiz dafür, denn der Sieger Severin Zotter hat das Rennen mit einer sensationellen Zeit von 8 Tagen und 8 Stunden gewonnen – und das als Rookie! Dazu möchte ich Sevi, einem langjährigen Trainingskollegen und Freund von mir, von ganzem Herzen gratulieren! Ich weiß wie hart und konsequent er die letzten Jahre auf das RAAM hintrainiert hat, und gönne ihm den Erfolg wie keinem anderen!

Ausblick: So groß die Enttäuschung ist, ich kann das RAAM nur abhaken und nach vorne schauen. Es gilt nach dem „Hinfallen“ wieder aufzustehen, eine gute Analyse durchzuführen, für die Zukunft zu lernen und neue Ziele zu formulieren. Das Motto lautet: „Come back stronger!“ Und ich hoffe dass ich das heuer noch einmal umsetzen kann, der Traum von einem Start beim Race Around Austria lebt!

Ich möchte mich auch bei meinem Team und meinen Sponsoren bedanken, denn meine Betreuer standen auch in dieser bitteren Phase hinter mir und unterstützten mich bis zur letzten Meile. Meine Sponsoren ermöglichten mir die erneute Teilnahme am RAAM und die vielen Einträge in meinem Gästebuch und auf meiner Facebook-Seite motivierten mich im Rennen, und gaben mir Zuspruch nachdem das Rennen beendet war. Danke!

Fotos:
(c) Lex Karelly - www.lexkarelly.com
Foto Nr. 7/Gruppenfoto 431 (c) Luttenberger/Königshofer - Mediateam Severin Zotter