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2017

Race Across America

2017 - RAAM - Akklimatisation Colorado und Rocky Mountains

Mein Tagebuch zur 3-wöchigen Vorbereitung auf das RAAM. Mit dem Camper geht es durch Colorado bis in die Wüste Kaliforniens.

Unterwegs in den Rockies - mit Jürgen Bruckbacher

Tag 18 – die Ruhe vor dem Sturm und doch 33km am Rad
Das Training heute hat den sogenannten „Warmfahren Charakter“, es geht einfach darum die Beine aus dem Ruhemodus aufzuwecken, ein paar kurze Sprints und Antritte einzubauen, das Gefühl für schnelles Fahren zu bekommen und gute Laune am Rad zu haben. Mir geht es bombig, die Energie steht mir bis weit über den Kopf, ich fühle mich grandios und die Beine sind stark.
Mein Betreuerteam gibt alles, gute Laune überall, die Vorbereitungen sind getroffen, wir sind startklar. Ein paar offizielle Termine habe ich auch noch geschafft, PR-Konferenz, Fahrerpräsentation und Fototermin. Bei den Fotos sind auch die Portraits unseres Teams entstanden > Teampräsentation.
Jetzt kann ich endlich zur Ruhe kommen, und den letzten Abend genießen, das erste Video von Stefan hat auch noch viel Motivation gegeben! Hier noch ein paar sehr private Gedanken, am Abend vor dem Start.

Ich werde oft gefragt, warum ich zum siebten Mal am RAAM teilnehme, was ich noch erreichen will, oder ob ich nur auf Rekorde aus bin. Die Wirklichkeit ist ganz einfach: Ich liebe diesen Sport, ich liebe es Rad zu fahren und Abenteuer zu erleben.
Ab dem Moment, wo man startet, gibt es endlich keine Fragen mehr, kein Denken, kein Grübeln, kein Entscheiden. Da ist in dem Moment alles schon passiert, ein Jahr voller täglicher Sinnfragen, voller Selbstmotivation, voller Aufbäumen und manchmal auch faul sein, voller schlechtem Gewissen wenn mal nix geht im Training, voller Fragen: Ist das Team gut genug vorbereitet? Bin ich technisch top organisiert? Ist das Radl in Ordnung? Sponsoren? Medien? Ist an alles gedacht, sind alle tausend Puzzlestücke am richtigen Platz?
Wenn der Startschuss fällt gibt es nur mehr eines: Fahren. Treten. Kämpfen. Die Sinnfrage ist geklärt, das Team ist da. Es werden Phasen kommen, wo man am Rad fast stirbt, wo man vom Rad speibt, wo die Knie stechen, der Hintern wie Feuer brennt, die Zehen einschlafen, die Finger taub werden, die Müdigkeit den Geist vernebelt. Es kann passieren, dass dir der Kopf fast explodiert, die Haut vor lauter Sonne brennt, dein Magen rebelliert, der Durchfall mit dir verrückt spielt. Aber es gibt keine Diskussionen mehr – die Aufgabe ist so klar, wie sonst nix im Leben. Egal was kommt. Weiterfahren. So lange bis der Zielstrich überquert ist.
Und als Belohnung gibt es Phasen, wenn man intensiv in den Flow kommt, wo man vor Glück fast weint, wo man Endorphine spürt, wo das Team mit einem gemeinsam alle Schwierigkeiten überwindet, wunderschöne Momente wo man Sonnenaufgänge wie im Bilderbuch erlebt, man motivierende Botschaften bekommt, man anderen Menschen als Vorbild dient, Hürden überwindet und scheinbar Unmögliches schafft.
Das RAAM ist ein Auf und Ab, doch am Ende überwiegt immer das Positive. Und das ist der Reiz an dieser Mischung aus Abenteuer und Wettkampf. Ich bin bereit. Ich freue mich darauf. Mein Team ist startklar!

Tag 17 – der Tag im Bett
Ich könnte, aber ich darf nicht. Ich möchte beim technischen Aufbau der Autos helfen, aber ich werde zur Bettruhe gemahnt und verbringe den ganzen Tag im Zimmer. Tom kümmert sich um meine Beine, Doktor Floh checkt mich gesundheitlich durch und ich muss nur auf regelmäßiges Essen und Trinken achten, was konkret bedeutet: 1 Gallone GSFood und 8x Ensure Plus, beim Abendessen wo es selbstgemachte Schnitzel und Salate gibt, bin ich nur Geruchstester und Zuseher. Wir haben heute vieles erledigt, installiert und eingekauft, die Strategie und die Taktik für das Rennen im Detail besprochen und den Papierkram für die Race-Registrierung erledigt. Ich versuche mich zu entspannen und mich mental auf das Rennen einzustellen, morgen werde ich noch einen letzten Eintrag im Tagebuch schreiben, bevor dann wieder mein Team übernimmt.

Tag 16 – 133km/1600 Höhenmeter: Borrego Springs – Oceanside
Der Stress und die Aufregung lassen nach, jetzt ist alles ziemlich entspannt. Alle Teammitglieder sind mitsamt Gepäck vollzählig und gesund in Los Angeles und später in der Unterkunft in Oceanside eingetroffen. Das ist für mich nämlich immer eines der härtesten Dinge vor dem RAAM: die Hunderten Kilo an Ausrüstung, Fahrzeugelektronik, Rad-Ersatzteile, Nahrung, Bekleidung u.v.m. zu organisieren, zu verpacken, und dann zu hoffen, dass auch alles ohne Verspätung oder Schäden ankommt. Sobald das alles gut gegangen ist, schalte ich in den „Jetzt-bringt-mich-nix-mehr-aus-der-Ruhe-Modus“. Außerdem fand heute mein allerletztes wirkliches Training statt: Mit dem Rad von Borrego Springs nach Oceanside. Die Ausfahrt nahm ich sehr locker und erfreute mich am kühlen Wetter, das an der Atlantikküste herrscht. Das war eine Wohltat nach dem Backofen-Klima in der Wüste. Nur noch 3 mal schlafen, dann geht es los!
 

Tag 15 – Ruhetag. Noch einmal entspannen.
Nach 3 Trainingstagen folgte heute erneut ein fauler Ruhetag mit nur 75 Minuten locker ausradeln, wobei faul nicht ganz zutrifft. Es gab noch viele kleine Details zu erledigen.
Die Berichterstattung auf der Homepage wurde eingerichtet und vorbereitet, es gab Interview-Termine mit Medien, das Wohnmobil wurde geputzt, alle elektronischen Geräte (mobile WLan Hotspots, amerikanische Wertkartenhandies, Terrano Funkgeräte, Garmin Radcomputer) geladen und gegebenenfalls upgedatet, die Räder noch einmal serviciert, und meine Beine mit einer lockeren Regenerationsfahrt und anschließendem Dehnen und Compex-Regenerationsprogramm „verwöhnt“.
Das RAAM ist einfach eine große logistische Unternehmung und mit keinem anderen Radrennen vergleichbar. Morgen wird ein besonderer Tag, denn da werde ich mit dem Rad nach Oceanside fahren, während der Rest des Teams in L.A. landen und sich am Abend in unserer Unterkunft treffen wird. Dann sind wir endlich vollzählig versammelt! Hier ein paar Eindrücke vom letzten Abend in Borrego:

Tag 14 – 150km/1150 Höhenmeter: Borrego Springs – Yaqui Pass – Salton City – Borrego Springs
Der Tag der Revanche am “schwarzen Ritter“ alias Ortstafelkaiser Schorsch. Er begleitete mich heute auf dem Großteil der vorletzten langen Grundlagen-Ausfahrt und stellte sich selbstbewusst der Herausforderung Hitzetraining mit einem RAAM-Veteranen…
Weil ich wusste, dass ich in einem kurzen Sprint gegen ihn keine Chance habe, musste ich ihn zuerst 5 Stunden lang mürbe fahren, und dann den Sprint schon lange vor Borrego Springs anziehen. Das blöde ist nur, dass man auf der langen Gerade vor Borrego die Distanz nicht einschätzen kann, und so startete ich viel zu früh und ging selbst fast ein. Aber mit 450Watt über 2 Minuten konnte ich Schorsch Widerstand dann erstmals brechen und mir zumindest eine einzige Ortstafelwertung holen!
Aber jetzt im Ernst: Generell kann ich sagen, dass die Anpassung an die Hitze sehr gut fortgeschritten ist und mein Puls eigentlich nicht mehr höher ist als bei normaler Temperatur. Auch nach 5 Stunden Fahrt klettert die Herzfrequenz nicht mehr nach oben, wie es vor einigen Tagen noch der Fall war.
Den Abend verbrachten wir gemütlich mit einem Österreicher-Treffen im Carlee’s Restaurant. Alexandra Meixner, die erste österreichische RAAM-Teilnehmerin, und Patric Grüner begleiteten uns zum örtlichen Burgerladen Nummer eins. Mit dabei war auch Johnny Stausholm, ein Fahrer aus Norwegen, der heuer gleich wie Alexandra und Patric auch erstmals am Start steht. Ein feiner Abend mit Gleichgesinnten „Verrückten“! Das abendliche Essen hat sich dann von der Nahrung während der Fahrt sehr deutlich unterschieden. Im Training verwende ich ab sofort zu 100% dieselbe Ernährung wie im RAAM: nur flüssig!

Hier die Leistungsdaten von heute in der Auswertung: tpks.ws/Gor8z

Tag 13 – 82km/2040 Höhenmeter: Borrego Springs – 2x Glass Elevator – Borrego Springs
Kraftausdauerintervalle am Berg standen heute am Plan, die ich hier am Hausberg – dem sogenannten Glass Elevator – absolvierte. Dabei hatten wir auch die Gelegenheit, die neuen Roval CLX50 Laufräder für das Roubaix, die mir Schorsch noch mitgebracht hat, zu testen. Die beiden Auffahrten auf dem exakt 1000 Höhenmeter hohen Anstieg, der sich über 16 Kilometer am felsigen Berghang hinaufschlängelt, gingen sehr gut. Besonders konzentriert war ich auch in den Abfahrten, denn das ist die schwierigste im ganzen Rennen und eigentlich die einzige, die den Fahrern technisch etwas abverlangt. Die Abfahrten in den Rockies sind ja quasi Autobahnen. Die beiden Intervalle fuhr ich im Leistungsbereich 3 bei etwa 85% meiner FTP Schwelle. Viel mehr ist bei dieser Temperatur – heute waren es wieder knapp über 40°C – einfach nicht drinnen und einige Tage vor dem Start auch nicht mehr sinnvoll.
Momentan habe ich hier den vollen Luxus und werde meistens sogar bei den Trainings betreut und begleitet, wir wollen nichts riskieren und die Fahrten auch für PR-Aufnahmen nutzen. Danke an dieser Stelle an meinen Fotografen Hausi (www.lime-art.at), seine Bilder von der gestrigen Ausfahrt in die Sanddünen sind unten zu sehen. Übrigens: vom gestrigen Interview der Kleinen Zeitung gibt es auf meiner Facebook-Seite ein kurzes Video "hinter den Kulissen".
Heute wollte ich aber ohne Begleitung auf den Berg rauf. Musik ins Ohr, die Gedanken kreisen lassen, Vorfreude aufs Rennen spüren und mit mir allein sein. Wann geht's endlich los? Ich bin bereit!

Tag 12 - 197km/590 Höhenmeter: Borrego Springs - Brawley - Imperial Sand Dunes - Brawley
Insgesamt 3 lange Einheiten stehen noch am Programm bis zum RAAM Start, der in einer Woche stattfindet. Heute spuckte die Auswertung am Garmin nach 5:45h knapp 200 Kilometer aus, und das bei der Temperatur zwischen 38 und 42°C. Die Akklimatisation läuft super, hier ein Einblick in die heutige Fahrt:

Tag 11 – Ruhetag – 45km lockerstes Radeln
Statt „weitradlfoan“ war heute „kurzradlfoan“ angesagt, und das auch ganz locker. Und weil der Tag sehr regenerativ und mit keinen großen Ereignissen verlaufen ist – der Höhepunkt war ein Nachmittagsschläfchen – fällt der Tagebuch Eintrag auch sehr kurz aus. Weil es so schön war, sind hier noch einmal ein paar Bilder von der gestrigen Ausfahrt mit Schorsch:

Tag 10 – 60 und 66km/500 Höhenmeter: Borrego Springs, Borrego Springs, Borrego Springs
Intervalltraining bei diesen Temperaturen ist wirklich irre. Ich habe mich erfolgreich zu 2x20min am Sweet-spot (345 Watt) durchgekämpft und das auch durchgezogen, wobei es beim zweiten Intervall schon sehr hart wurde. Die trockene Luft brennt im Hals, der Mund trocknet aus, die Beine werden sehr schnell leer. Es ist wie die Anzeige vom Autotank, die innerhalb von ein paar Minuten von „voll“, bis „leer“, bis zur „rot blinkenden Reserve“ abnimmt.
Ein Motivationsfaktor war sicher, dass Hausi aus dem begleitenden Auto heraus fotografierte und ich mir da keine Schwäche eingestehen wollte. Nach 1:40h war die erste Trainingseinheit zu Ende, es folgte regenerieren, essen und abkühlen im Pool. In der Mittagspause haben wir im Motel neue Gäste begrüßt: Patric Grüner und sein Betreuer haben heute eingecheckt und wir haben uns gleich recht lange unterhalten. Ich bin mir sicher, dass Patric sehr gut vorbereitet am Start seiner ersten RAAM-Teilnahme stehen und eine Top Leistung bringen wird.
Bei der zweiten Ausfahrt, einer lockeren Grunlagen-Hitze-Einheit am Nachmittag, hat mich der „Ortstafelkaiser“ Schorsch beim Sprint wieder mal in die Schranken verwiesen. Auch wenn es hier keine Ortstafeln gibt, er paniert mich auch bei der National-Park-Tafel. Vielleicht stellt er mir aus Mitleid mal eine „Kraubath“-Ortstafel in die Wüste, wo er mich dann gewinnen lässt!

Tag 9 – 102km/500 Höhenmeter: Brawley – Borrego Springs
Auf geht’s in die heiße Phase der RAAM Vorbereitung! Nach einem letzten Schlafplatz in der Höhe ging es heute in meinen „Zweitwohnsitz“ nach Borrego Springs – in das Mekka des Ultraradsports, in das „Wödmasta-Kaff des Weitradlfoans“.
In Wirklichkeit ist Borrego ein kleiner verschlafener Ort im Westen der kalifornischen Mojawe-Wüste, aber hier findet jedes Jahr im Herbst die 24h-Einzelzeitfahr-WM statt und die RAAM Route führt hier durch. Für mich ist es schon das siebente Mal, dass ich hier zum Akklimatisieren bin, auch viele andere RAAM Teilnehmer sind in der Gegend unterwegs. Bin schon gespannt, wen ich alles treffen werde. Ich bin heute kurz vor Brawley ausgestiegen und habe die letzten 100 km mit dem Zeitfahrer im Grundlagenbereich trainiert.
Im Motel angekommen war der erste Weg der direkte in den Pool. Es ist jedes Jahr aufs neue erstaunlich, wie heiß es hier sein kann, auch wenn ich heute erst Nachmittags unterwegs war und die 38°C nur ein Vorgeschmack auf die kommenden Tage waren. In den nächsten Tagen wird die Hitze-Akklimatisation im Vordergrund stehen, der Trainingsumfang wird nun Schritt für Schritt zurückgeschraubt, die Regeneration steht immer mehr im Vordergrund. Am Abend erwarten wir noch Verstärkung von Hausi und Schorsch, das Team Strasser ist also ab sofort zu viert!

Tag 8 – 186km/2330 Höhenmeter: Cottonwood – Camp Verde – Flagstaff
Der heutige Tag war für das RAAM besonders wichtig, die Trainingsfahrt war nämlich so geplant, dass wir die für mich neue Strecke zwischen Cottonwood und Flagstaff abfahren und besichtigen. Seit 2016 ist diese Route im Programm, früher fuhren wir den direkten Weg. Diese neue Route bringt eine zusätzliche Distanz von 74km, insgesamt ist das RAAM um 79km länger als 2014. Die neue Timestation von Camp Verde nach Flagstaff ist die einzige, die über 100 Meilen lang ist und damit die längste im ganzen Rennen.
Zu fahren ist sie allerdings sehr schön, zuerst geht es sehr lange bergauf, und oben am Hochplateau dann hügelig/wellig dahin, durch dichte Nadelholzwälder und vorbei an Seen. Auf den 160 Kilometern gibt es keine einzige Ortschaft, keine Attraktion und nur wenig Verkehr. Trotzdem ist die Straße neu saniert und in perfektem Zustand, die Hauptverkehrsrouten sind im Gegensatz dazu manchmal in verheerendem Zustand. Während es unten im Tal noch 40°C hatte, sank die Temperatur oben auf 15° ab, da wir wieder auf 2100m Höhe angekommen sind.
Heute gab es auch eine Premiere: Zum ersten Mal seit einer Woche habe ich einen Radfahrer gesichtet! In dieser wunderschönen Gegend, einem „Paradies“ für Radler, musste ich über 1100 km weit fahren, um den ersten „Kollegen“ zu entdecken. Traurig eigentlich.

Tag 7 – 189km/1850 Höhenmeter: Montezuma Creek - Mexikan Hat – Kayenta – halbe Strecke Tuba City
Am Weg von Durango Richtung Akklimatisation in der Wüste führte die Strecke heute durch das weltberühmte und wunderschöne Monument Valley, das ich natürlich mit dem Rad befahren wollte. Ich habe also zweieinhalb Timestations als Training absolviert und dabei etwas seltenes erlebt: In der Gegend, wo es eigentlich immer sehr trocken und heiß ist, hat mich ein ordentlicher Regenguss mit starkem Gegenwind erwischt.
Von sonnig heiß bis kalt, windig und nass war heute alles dabei. Trotzdem war das Panorama ein Genuss, im Rennen kommt man hier wenn man schnell genug ist ja im Dunkel durch und kann nur die Umrisse der Felsen im Morgengrauen erkennen. Heute war dann auch noch etwas Zeit für einen kurzen Stopp bei Forrest Gump – siehe Foto!
Was beim Regen aber auffällt: der feine Staub frisst sich wie Schmirgelpapier in die Kette und die ganze Technik leidet stark darunter. Daher hieß es im Anschluss noch ordentlich putzen und schmieren! Als Schlafplatz haben wir die einzige Möglichkeit genutzt, um noch hoch oben zu übernachten: Das auf 2100m.ü.M gelegene Flagstaff ist der heutige Campingplatz!

Tag 6 – Ruhetag – Transfer Richtung Arizona

Ruhetage sind was geniales, aber oft die Schwierigsten im Trainingsalltag eines Sportlers, weil man sehr viel Zeit für Blödheiten hat, an die man normal gar nicht denkt. Und aus irgendeinem Grund ist es schwieriger sich für Regenerationstraining als für 6 Stunden Radlfoan zu überwinden…
Aber mit einem so klaren und großen Ziel wie dem RAAM vor Augen, nutze ich den Ruhetag vorbildlich: Gesundes Essen, Gymnastik- und Dehnübungen, Compex Elektrostimulation zur Muskelregeneration und Beine Hochlagern.

Langsam aber sicher verlassen wir die Rockies und machen uns auf den Weg Richtung Westen, suchen uns aber trotzdem noch hoch gelegene Plätze zum Schlafen, um den Effekt der Höhenakklimatisation noch zu verbessern. In der Nähe von Durango bogen wir von der RAAM Route ab, und suchten einen ruhigen Parkplatz.
Da wir an keinem Ort campieren wollten, wo es nicht erlaubt war, fragte ich einen Mann, der nachdenklich am Flussufer stand. Hier zu parken sei kein Problem.

Der Kerl hat dann nicht mehr aufgehört zu reden, und irgendwas von einem Portal erzählt, von „powerful places“, „good vibrations“ und seiner Gemeinschaft zur Beobachtung übersinnlicher Dinge. Er weiß auch wo hier am Berg das Gold vergraben ist, aber er holt es lieber nicht aus der Mine. Denn ein Freund von ihm sei bei dieser Tat von einem Herzstillstand niedergestreckt worden. Er lässt das Gold also lieber dort, aber er genießt es zu wissen, wo es liegt. Während seiner Ausführungen raucht er 20 Minuten durchgehend an einer Zigarette und geht immer wieder in die Knie und schließt die Augen, um die positive Energie dieses Platzes zu spüren. Hm. Lustige Begegnung. Guter Schlafplatz.

Tag 5 – 181km/2470 Höhenmeter: South Fork – Pagosa Springs – South Fork

Das gleiche Programm wie gestern nochmals: Von Osten auf den 3300m hohen Wolf Creek Pass, etwas nach der Timestation in Pagosa Springs die Wende, und wieder über den Wolf Creek retour. Das klingt jetzt nicht so spannend, aber ich muss sagen, dass es für mich ein super Tag war! Anfangs war ich vom Schlafen in der Höhe noch etwas lasch, meine power2max Leistungsmessung zeigte unter 200Watt an. Aber im ersten Anstieg wurde ich dann warm und konnte die Watt wieder hoch treiben. Die zweite Auffahrt war dann überhaupt noch besser, ich war über eine Stunde im Leistungsbereich L3 (ca. 280W) unterwegs und hatte keinen höheren Puls mehr, als wenn ich das in normaler Seehöhe trainiert hätte. Offensichtlich gewöhne ich mich bereits gut an die Höhe und regeneriere gut, ich spüre auch keine Müdigkeit der letzten Tage, obwohl ich täglich 6 Stunden unterwegs war. Es ist einfach schön zu spüren, wie sich die Anstrengungen der letzten Monate bemerkbar machen, wie sich alle Puzzle-Teile zusammenfügen, und sich die Fitness zum Saison-Höhepunkt hin steigert.

Am Ende der Ausfahrt musste ich dann erstmals eines der neuen Details am Roubaix ausprobieren: Die „Box“ über dem Tretlager ist nämlich kein E-Motor, sondern ein integriertes Pannenset mit Mini-Tool. Der Reifen-Defekt durch ein Drahtstück war dann schnell behoben. Generell kann ich zum neuen Roubaix nur sagen, dass sich das Future-Shock System, also die Dämpfung/Federung unter dem Vorbau sehr gut fährt. Anfangs etwas gewöhnungsbedürftig möchte ich es jetzt nicht mehr missen, da die schlechten und ruppigen Straßen der USA damit nur mehr kaum spürbar sind.
Es sind jetzt noch genau 2 Wochen bis zum Start des RAAM!

Tag 4 – 182km/2080Höhenmeter: Alamosa – Wolf Creek Pass – Richtung Pagosa Springs – Wolf Creek Pass – South Fork

Der heutige Tag konnte nur gut werden, immerhin haben wir die letzte Nacht stilecht und prunkvoll auf einem Walmart-Parkplatz verbracht, da es in Alamosa keine vernünftigen Campingplätze gab, bzw. keine, die einen Mehrwert zum gratis Parkplatz geboten hätten. Von Alamosa kurbelte ich das Flachstück nach South Fork, einem kleinen Ort mit Goldgräber-Charme am Fusse des Wolf Creek Pass, von wo aus es dann zu steigen begann.
Die Straße auf den 3300m hohen Wolf Creek Pass ist schmäler und kurviger als die auf den La-Veta Pass, und auch herausfordernder. Trotzdem geht die Steigung nie über 6%, und so konnte ich alles am 52er Kettenblatt durchfahren. Insgesamt ist die Steigung 35km lange und nur 900 Höhenmeter hoch. Die dünne Luft ist aber deutlich spürbar und lässt den Puls steigen.
Nach der Abfahrt habe ich kurz vor Pagosa Springs gewendet und bin den Pass von der richtigen RAAM-Richtung nochmals gefahren, im Hinterkopf lief der Rechner mit: Die Wende war genau so geplant, dass ich dann am Ende des Tages 180km am Garmin stehen habe. Es ist momentan wirklich schön hier, Wetter und Landschaft präsentieren sich von der besten Seite und so ist auch das Training ein „Genuss“.

Besonders wichtig war es auch die „vermeintlich einfache“ Abfahrt zu sehen, die ich bislang nur aus dem Rennen kannte. Im meinem Notizbuch stehen jetzt einige wichtige Passagen/Schlaglöcher/Bahnübersetzungen, die die Abfahrt beim RAAM sicherer und schneller machen werden.

Tag 3 - 188km/1750 Höhenmeter: La Veta - Cuchara Pass - La Veta Pass - Alamosa + Ehrenrunde

Nach einer wirklich kalten und verregneten Nacht erwachten wir in einem herrlichen Panorama – die Berge rund um uns waren winterlich eingeschneit, doch die Morgensonne am wolkenlosen Himmel taute den Schnee bald wieder auf, und so konnte ich bald erneut auf den Cuchara starten.
Ich wollte mir den Berg nochmals geben und mir jedes Detail am Strassenrand, jede Kurve, alle Postkästen – die dann nach vielen Tagen Schlafentzug wie „winkende Fans“ aussehen – und jeden Straßenstipfel einprägen. Jedes Detail der Strecke, das ich auswendig kenne, hilft mir dann im Rennen. Nach der dritten Cuchara-Befahrung in zwei Tagen war es dann an der Zeit, auf die RAAM Route abzubiegen und zur vorigen Timestation, nach Alamosa, aufzubrechen. Jürgen begleitete mich mit dem Camper, betreute mich und machte Fotos. Was für ein genialer Service im Vergleich zu den vielen einsamen Trainings unterm Jahr!

Die Auffahrt auf den La Veta Pass, die ich normal von der anderen Seite kenne, war nicht so lustig. Eine typische Rocky Mountains „Autobahn“: endlos lange Geraden, die Steigung im Bereich von 3-6%, viel Verkehr, vier Spuren. Irgendwann - nach einer gefühlten Ewigkeit - ist man dann auf 3000m oben, ohne je das Gefühl gehabt zu haben, einen Berg zu fahren. Fazit: "Der Higl kaunn goa nix!"

Nachdem wir Alamosa erreichten, drehte ich noch eine kleine Bonusrunde, damit ich auf die angepeilten sechs Stunden Training komme. Die Intensität ist momentan eher niedrig, aber der Umfang sollte noch hoch bleiben. Die Höhe ist ja auch noch eine zusätzliche Belastung, die mir dann im Rennen definitv helfen wird, gut über die Berge zu kommen. Chefkoch Dr. Bruckbacher hat dann mit einem Haubenmenü die Strapazen des heutigen Tages vergessen gemacht.

Tag 2 - 157km/2330 Höhenmeter: Trinidad – Cuchara Pass – La Veta – Cuchara Pass – La Veta

Nach einem feinen Frühstück am Trinidad’schen Seeufer war heute “Radlfoan” die einzige Herausforderung des Tages. Die Strecke war Entgegen meiner Erwartungen wunderschön, die Anfahrt zum Cuchara Pass gleicht der Kulisse eines Wild-Westen Films. In meiner Erinnerung aus 5 RAAM Teilnahmen (2009 führte die Strecke weiter südlich durch New Mexiko) war der Cuchara immer einer der absolut fürchterlichsten Plätze des Rennens: Unrhythmischer Anstieg, keine ordentliche Abfahrt da es immer wieder Gegenanstiege gibt, meistens bei Kälte mitten in der Nacht und 2015 sogar erst am Tag bei unerbittlichen 35 Grad Mittagshitze, wo ich gesundheitlich schon angeschlagen war. Meine Abneigung ging sogar so weit, dass ich den Cuchara-Pass „Lesachtal“ schimpfte…

Die Passhöhe liegt auf knapp über 3000 Meter Seehöhe, die dünne Luft machte mir im Rennen immer zu schaffen, heute ging es sehr gut. Im erholten Zustand ist die sauerstoffärmere Luft also kein Problem für mich. Nach der Abfahrt zur nächsten Timestation in La Veta drehte ich um und kurbelte den Cuchara nochmals von der „richtigen“ Seite rauf. Ich glaube, ich habe mich mit dem Berg jetzt angefreundet und positive Assoziationen in meinem Kopf hergestellt.

25.5.2017 - Ein schwieriger Anfang

Beim RAAM ist improvisieren eines der wichtigsten Dinge, selten laufen die Dinge wie geplant. So war es auch schon bei der Anreise: Jürgen und ich erfuhren beim Umsteigen in Toronto, dass die Räder noch nicht angekommen sind, bzw. noch nicht umgeladen wurden. Die ernüchternde Sachlage bedeutete auch, dass wir den Weiterflug nach Denver nicht nehmen durften. Ohne vollständiges Gepäck gibt’s keine Einreise in die USA, da kann man nichts dafür und auch nichts machen. Wir wurden also 4 Stunden später mit den Rädern in den nächsten Flieger verfrachtet. Angekommen in Denver war schnell klar, dass nach Mitternacht unser Hotel nicht mehr zur Verfügung stand, also war das Nachtlager auch schnell improvisiert – nämlich der Boden am Flughafen… Da sieht man schon, wie luxuriös das Leben eines „Profi-Langstreckenradfahrers“ sein kann. An Schlaf war kaum zu denken, wir zählten die Stunden bis es endlich hell wurde und wir per Taxi zum Wohnmobil-Verleih fahren konnten. Dort mussten wir nochmals 5 Stunden warten, bis unser Gefährt fahrbereit gemacht wurde. Geduld ist meiner Meinung nach übrigens eine der wichtigsten Eigenschaften in diesem Sport – da haben wir soeben also eine Sondereinheit absolviert!

Irgendwann am Nachmittag waren wir nach einer Walmart-Einkaufs-Orgie dann „on the road“ Richtung Süden. Der Plan lautete von Trinidad, der TS20 des RAAM die Route rückwärts abzufahren. Dabei habe ich die Möglichkeit mich in den Rocky Mountains an die Höhe zu akklimatisieren und diese herausfordernden Abschnitte einmal bei vollem Bewusstsein im Tageslicht zu fahren, und nicht nur im Renndilirium nach 3 Tagen Schlafentzug mit körperlichen mehr oder weniger ungemütlichen Abnützungserscheinungen. Kurz vor Trinidad, nachdem die Großstadt-Umgebung von Denver hinter uns lag, wuchtete ich meinen übermüdeten Kadaver noch für 40 km aufs Rad um die Beine nach dem langen Flug ein bisschen zu bewegen. Jürgen hat an dem Tag seine Fahrerqualitäten bewiesen und uns nach fast zwei Tagen ohne wirklich zu schlafen noch sicher ans Ziel – ein Steakhouse in Trinidad - gebracht, während ich am Beifahrersitz dem Sekundenschlaf erlag.