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2017

Race Across America

Sieg beim RAAM#7 - Ein Rennen für die Geschichtsbücher

Heute kurz nach 8:00 Uhr MEZ hat Christoph Strasser nach knapp 5.000 Kilometern das Ziel des Race Across America in Annapolis erreicht! Der Steirer schaffte seinen vierten Triumph beim längsten und härtesten Radrennen der Welt. Er lag im Ziel nach einer Fahrzeit von 8 Tagen, 9 Stunden, 34 Minuten über 700 Kilometer und rund 1,5 Tage vor dem derzeit Zweitplatzierten US-Amerikaner Mark Pattinson.


In den Nachtstunden erreichte Christoph Strasser das Ziel in Annapolis, der Hauptstadt des Bundesstaates Maryland an der Ostküste der USA. Mit bengalischen Feuern wurde der 34-Jährige von seinem elfköpfigen Betreuerteam empfangen. Die 4.940 Kilometer lange Distanz absolvierte Strasser in 8 Tagen, 9 Stunden, 34 Minuten. „Ich bin jetzt fix und fertig, aber auch überglücklich über meinen vierten Sieg beim Race Across America und dass es so gut ausgegangen ist. Jetzt freue ich mich auf ein richtiges Bett und auf einige Stunden Schlaf. Und nach über einer Woche werde ich nach 50 Minuten Schlaf nicht aufgeweckt, um mich dann gleich wieder aufs Rad setzen zu müssen“, sagt Christoph in einer ersten Reaktion.

Rückblick: Training in den Bergen

Christoph war zehn Tage mit seinem Betreuer Jürgen in den Höhen der Rocky Mountains unterwegs und fuhr die Schlüsselpassagen dieses Gebirgsmassivs, den Cuchara-Pass sowie den Wolf Creek Pass, je dreimal hintereinander im Training. Die Höhenakklimatisation stand also ganz oben auf der Prioritätenliste. Danach ging es zu seinem gewohnten Trainingsstützpunkt vor dem RAAM, in das kleine Wüstenstädtchen Borrego Springs, wo er wenige Monate zuvor die 24 Stunden Weltmeisterschaft im Einzelzeitfahren gewonnen hatte.

Dort stießen auch Schorsch und Fotograf Hausi zu ihnen und begleiteten Christoph bei den Trainingseinheiten. Schorsch, zuhause als Ortstafelkaiser bekannt, da er Christoph beim Ortstafelsprint im Training jedes Mal abgehängt hatte, war auch in den USA nicht einzuholen. Getarnt als schwarzer Ritter erreichte auch er als Erster das Schild „Welcome to Anza Borrego Desert“ und gewann mit dem lauten Ausruf: „Der schwarze Ritter triumphiert immer!“ auch die amerikanische Wertung im Ortstafelsprint.

Start zu RAAM#7

Nach drei Tagen intensivster Vorbereitung hatte die Crew alle Arbeiten erledigt: die Autos waren mit der Licht- und Tontechnik aufgebaut, mit Sponsor-Stickern gebrandet und mit Proviant bepackt. Die Räder wurden einem Service unterzogen und alle verpflichtenden Termine mit der Rennleitung eingehalten.

Am 13. Juni um 13:28 Uhr Ortszeit (22:28 Uhr MEZ) fiel schließlich der Startschuss zu Christophs siebenter RAAM-Teilnahme. Die Konkurrenz war stark: mit dem Tiroler Patric Grüner, der drei zweite Plätze beim RAA vorzuweisen hatte, war ein neuer starker Gegner beim RAAM am Start. Der fünffache RAAM-Finisher Marko Baloh und der US-Amerikaner Mark Pattinson standen ebenso auf seiner Watch-List.

Die Wüste, die gleich zu Beginn der Strecke auf Christoph wartete, war diesmal gnädiger zu ihm, und bei „moderaten“ Wüstentemperaturen knapp über 40°C konnte er diesen Abschnitt ohne größere Probleme hinter sich lassen. Allerdings war das Tempo etwas gedrosselter als in den Jahren zuvor. In den ersten kühlen Nachtstunden versuchte Christoph genug Nahrung zu sich zu nehmen, um den Flüssigkeitsverlust des Tages einigermaßen ausgleichen zu können. Die Ernährung im Rennen erfolgt ausschließlich flüssig, Christoph bekommt Ensure, eine hochkalorische Flüssignahrung aus dem Medizinbereich und GS Food Hi End Energizer, ein Kohlehydrat-Elektrolytgetränk, um genug Kalorien zu sich nehmen zu können. Pro Tag nimmt Christoph beim RAAM ungefähr 10.000 -12.000 Kalorien zu sich, verbrannt werden bis zu 15.000. Ein kleines Defizit ist übrigens gewünscht und kein Nachteil, da der Körper bei zu viel Kalorien- und Flüssigkeitszufuhr beginnt, Flüssigkeit im Gewebe abzulagern. Dies führt nicht nur zu einer Gewichtszunahme und aufgeschwemmten Körperpartien, sondern letztendlich kippt das Gleichgewicht im Organismus und es entstehen Ödeme oder andere Erkrankungen der Lunge.
Somit wurde Christoph zusätzlich zur genau protokollierten Nahrungsaufnahme in den Pausen immer gewogen. Hätte er zugenommen, wäre dies ein erstes Alarmzeichen gewesen. Um die Atemwege auch von außen zu schützen, trug Christoph fallweise ein feuchtes Tuch um den Mund, um vor Staub und anderen Partikeln geschützt zu sein.

Marko Baloh führte das RAAM an Tag eins an, Christoph konnte sich aber in der Nacht langsam an den Slowenen heranarbeiten und ihn schließlich in den frühen Morgenstunden am „Yarnell Grade“, einem 8km langen Anstieg in der Wüste, überholen.

Zwischenstand RAAM - Congress (635km absolviert)

1.Marko BalohSLO0d:20h:31min30,9 km/h
2.Christoph StrasserAUT0d:20h:47min30,6 km/h
3.Patric GrünerAUT0d:21h:30min29,5 km/h
4.Mark PattinsonUK0d:23h:01min27,4 km/h
5.Brian Toone USA0d:23h:32min27,0 km/h

 

Führender in den Rockies

Das RAAM 2017 war durch eine Streckenänderung am zweiten Tag um etwa 150 Kilometer länger als bei Christophs letztem Antritt. Daher veränderten sich viele strategisch wichtige Passagen und wurden viel später angefahren. Flagstaff wurde nicht am späten Nachmittag, sondern um Mitternacht erreicht, weshalb es dort Null Grad hatte, fünf Stunden davor hatte es im Flachland Arizonas aber noch 40°C.

Nach zweieinhalb Tagen Fahrzeit hatte Christoph das glühend heiße Monument Valley hinter sich gelassen und steuerte auf den höchsten Punkt des RAAM in den Rocky Mountains zu, den Wolf Creek Pass.
Das erste Drittel des Rennens lief hervorragend, vor dem Wolf Creek Pass, der der schwierigste und höchste Pass des Rennens ist, wurde eine erste einstündige Schlafpause eingelegt. Christophs Vorsprung betrug zu diesem Zeitpunkt über fünf Stunden auf den zweitplatzierten Patric Grüner, knapp dahinter an dritter Stelle lag Marko Baloh. Mittlerweile lagen also 2 Timestations und ungefähr 160km zwischen Christoph und seinen Verfolgern.

„Durch die längere Strecke wurde der Wolf Creek Pass erst mitten in der Nacht, anstatt am frühen Abend überquert. Die Schlaftaktik musste daher adaptiert werden, und auch die körperliche Belastung durch die rasanten Temperaturunterschiede war viel größer. Ich konnte mich daher nicht an den Durchgangszeiten der letzten Jahre orientieren.“

2015 erkrankte Christoph, wie bereits 2009, in den Rocky Mountains und musste das Rennen aufgeben. Die Angst, wieder Probleme mit der Lunge zu bekommen und aussteigen zu müssen, verfolgte ihn bei jeder Pedalumdrehung. Doch in diesem Jahr war diese Angst unbegründet. Christoph überstand die Rockies problemlos. Am letzten großen Pass, dem 3029m hohen Cuchara, fielen sich Christoph und seine Betreuer vor Erleichterung und Freude in die Arme, die gefährlichste Passage des Rennens war nun überstanden und es ging auf in Richtung Kansas.
Begleitet wurde Christoph durch ganz Colorado und Kansas von zwei sehr treuen Fans, die drei Tage mit dem Camper auf der RAAM-Route unterwegs waren um ihn immer wieder vom Streckenrand aus anzufeuern.

Halfway-Point mit Riesenvorsprung

Die Rocky Mountains unbeschadet hinter sich gelassen, erreichte Christoph den Halfway-Point kurz vor der Timestation 26 in Pratt, Kansas. Dort empfing in sein Team rund um den schwarzen Ritter, der es sich auch bei extremer Hitze nicht nehmen ließ, seinen Helm aufzusetzen. Eines Ritters Ehre steht und fällt nicht zuletzt mit seinem Auftreten.
Mit einer bisherigen Durchschnittsgeschwindigkeit von 27km/h lief es nach Plan, bereits 3 Tage und knapp 19 Stunden standen auf der Haben-Seite. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, seine große Stärke auszuspielen: die langen, ewig-geraden Passagen in Kansas liegen Christoph seit jeher und er empfindet die Monotonie, an der manch anderer Fahrer verzweifelt, als anspornend.
Nach vier Tagen und knapp 12 Stunden im Rennen konnte er den Bundesstaat Kansas hinter sich lassen. Dieser verlangte ihm jedoch alles ab – denn eines der heftigsten Unwetter, die er in seiner RAAM-Karriere je erlebt hatte, zwang zu einer Pause. Der Wind war so stark, dass es einem seiner Betreuer während der Umzieh-Pause für regenfeste Kleidung beinahe das Rennrad aus den Händen gerissen hätte. Der peitschende, sintflutartige Regen, die Sturmböen und nahe einschlagende Blitze machten ein Weiterfahren aber unmöglich, die einstündige Schlafpause wurde daher vorgezogen.

Eine Besonderheit auf der Strecke ist die Überquerung des Mississippi River, die nach 5 Tagen und 9 Stunden bevorstand. RAAM-Kenner wissen, dass hier das Rennen quasi erst so richtig losgeht – denn die verbleibenden knapp 970 Meilen werden nochmals richtig fordernd.

Zwischenstand RAAM - Mississippi River (3387 km absolviert)

1.Christoph StrasserAUT5d:09h:44min26,1 km/h
2.Patric GrünerAUT6d:07h:27min22,4 km/h
3.Marko BalohSLO6d:17h:08min21,0 km/h
4.Mark PattinsonUK6d:17h:19min21,0 km/h
5.Guido LöhrGER6d:17h:35min21,0 km/h

Die Tage fünf und sechs verliefen wie geplant und nun stellte sich Christoph den letzten 1000 km im Rennen. Am sechsten Tag durchquerte er die US-Bundesstaaten Missouri und Illinois, speziell ersterer verlangt Christoph und seinem Team jedes Jahr aufs Neue einiges ab. Die Autofahrer in diesem Bundesstaat können nicht von dieser Welt sein. Nirgendwo sonst herrscht so ein hohes Verkehrsaufkommen und so eine Bösartigkeit gegenüber Radfahrern auf der Straße. Die Crew musste Christoph so gut als möglich vor den aggressiven Autofahrern abschirmen, um schlimmeres zu verhindern.  Die Führung konnte Christoph trotzdem auf unglaubliche 520 Kilometer auf Patric Grüner ausbauen. Marko Baloh erlitt einen Einbruch und musste seinen dritten Platz an den dreimaligen Zweiten Mark Pattinson abgeben. Tag 7 und 8 versprachen mit den Appalachen nochmals richtig hart zu werden.

„Der siebente Tag des RAAM, jetzt geht es durch Indiana Richtung Appalachen. Die letzten zwei Tage werden noch einmal richtig hart für mich. Aber ich fühle mich sehr gut, habe wenig Schmerzen. Das Wetter ist mit 20 bis 25 Grad perfekt, die Hitzewellen und Minusgrade in der Nacht sind Geschichte. Perfekte Bedingungen, um in den letzten 48 Stunden noch so richtig draufzudrücken.“

Teamchef Michael Kogler analysierte die aktuelle Lage folgendermaßen: „Christoph ist einfach sehr gut drauf und hat bisher 5:30 Stunden geschlafen. Er hat keine größeren Probleme und die Müdigkeitsattacken halten sich in Grenzen. Mit enormen Willen fährt er dem Ziel entgegen. Es ist extrem beeindruckend, wie er sich selbst immer wieder aus den Motivationstiefs zieht und wie stark sein Wille ist. Obwohl ich ihn seit 12 Jahren bei Extremradrennen betreue, ist das von seiner mentalen Stärke her gesehen wahrscheinlich sein stärkstes Rennen überhaupt. Er reißt das ganze Team mit und wir freuen uns jetzt auf die letzten beiden Renntage!“

Bei der TS 41, Oxford, Ohio, legte Christoph nochmals eine Schlafpause ein, um so „gut erholt“ wie möglich die giftigen Anstiege der Appalachen in Angriff nehmen zu können.
Der Appalachian Highway und Christoph sind seit jeher auf Kriegspfad miteinander. Auch dieses Jahr verlangten die fordernden Anstiege der Appalachen nicht nur Muskelkraft und Willen von Christoph, sondern auch ein wahnsinniges Motivationstalent von seiner Crew.
Um sich die den Berg hinaufschlängelnden Straßen einigermaßen flott hinauf zu quälen, war sein Team permanent gefordert ihn bei Laune zu halten und anzutreiben.

Die Appalachen waren noch jedes Jahr eine mentale Zerreißprobe. Der Körper war angeschlagen, der Kopf müde, hinter ihm im Auto saß sein Team, dass sich erwartete, dass er nochmals alles geben würde. Auch wenn er es sich nicht immer anmerken ließ, stellte sich Christoph ab und zu schon die Sinnfrage. Aber nicht weil er sein Unternehmen RAAM hinterfragte, sondern weil er oft tagelang keinen anderen Radfahrer mehr gesehen hatte und durch die Müdigkeit kurzfristig nicht mehr wusste, dass er gerade ein Radrennen bestritt. Den schlimmsten Aussetzer hatte Christoph nach dem Aufwachen aus der letzten Schlafpause, als er nicht mehr aufs Rad steigen konnte, da er die Pedale verwechselte, und mit dem rechten Fuss ins linke Pedal klicken wollte. Kougi musste ihm erklären, wie man die Schaltung bedient, wie man in Kurven lenkt, und dass die Beine abwechselnd nach unten zu treten hätten.

Als Schorsch dann bergauf neben Christoph lief um ihn mit Gesprächen wieder wach zu kriegen, erkannte ihn Christoph nicht einmal. Diese Phasen dauerten jedoch nur kurz, wenige Minuten später herrschte wieder „Normalbetrieb“ und der Garmin zeigte wieder eine Leistung von 160-180 Watt an.

Viertschnellste Siegeszeit ever

Nach 8 Tagen, 9 Stunden und 34 Minuten erreichten Christoph und sein Team schließlich das Ziel in Annapolis, Maryland. Der spätere Zweitplatzierte Mark Pattinson hatte zu diesem Zeitpunkt noch über 700km vor sich. Da die Zielankünfte beim RAAM bekanntlich selten spektakulär inszeniert werden, wurde Christoph von seinen Betreuern auf den letzten Meilen mit bengalischen Feuern empfangen.

„Ich bin jetzt fix und fertig, aber auch überglücklich über meinen vierten RAAM Sieg. Jetzt freue ich mich auf ein richtiges Bett und einige Stunden Schlaf wenn ich nicht nach 50 Minuten aufgeweckt werde, um mich dann gleich wieder aufs Rad setzen zu müssen.“

Endstand RAAM - Annapolis (4940km absolviert)

1.Christoph StrasserAUT8d:09h:34min24,6 km/h
2.Mark PattinsonUK9d:19h:14min21,1 km/h
3.Guido LöhrGER9d:22h:40min20,4 km/h
4.Brian Toone USA10d:02h:53min20,4 km/h
5.Tom McKennaUSA10d:09h:15min19,9 km/h

Schon wieder?

Das RAAM steht auch 2018 wieder in Christophs Rennkalender, könnte er doch mit einem fünften Sieg mit dem Rekordsieger Jure Robič aus Slowenien gleichziehen.
Auf die Frage, warum man sich diese Strapazen antut, gibt Christoph eine einfache Antwort:

„Ich werde oft gefragt, was das RAAM ausmacht und warum ich immer wieder teilnehme und mich dort so quäle. Es ist ganz einfach die Begeisterung, der Spaß an der Herausforderung. Die Vorbereitung ist wie ein Puzzle, und es ist schön, Teil für Teil ineinander zu fügen. Wenn man dann im Ziel angekommen ist, verblasst die Freude recht schnell, gleich wie bei einem fertigen Puzzle, das dann an der Wand hängt und verstaubt. Der Weg ist das Ziel, denn es ist der Prozess des Schaffens, der einen erfüllt!“