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2018

Race Across America

Analyse, Rückblick, Auswertungen - Resümee vom RAAM 2018

Gerade noch rechtzeitig vor dem nächsten Ultraradrennen, der „Race Around Austria Challenge“ – gibt es eine kurze analytische Rückbetrachtung über das RAAM 2018. Ich möchte hier Zahlen und Daten veröffentlichen und das erfolgreiche Rennen sachlich analysieren, über Emotionen und die mentalen Aspekte des RAAM habe ich schon in meinem letzten Blog geschrieben. Es gibt für mich mehrere Gründe, warum es 2018 so gut lief:

Fitness vor dem Start
Durch ein Konzept mit polarisiertem Training konnte ich meine Fitness-Werte auf ein etwas höheres Niveau schrauben, außerdem war die Motivation im täglichen Training, vor allem im Winter und im Frühling, höher als in den Jahren zuvor. Die Grundlagen-Einheiten wurden länger und langsamer, die harten intensiven Einheiten noch schneller. In Summe saß ich von 1.12. 2017 bis 11.6.2018 ganze 770 Stunden im Sattel, was 23.100 Kilometer (die indoor-Einheiten rechne ich mit angenommenen 30km/h ein) entspricht – und das wohlgemerkt innerhalb eines halben Jahres, ohne Rennen, und dank Leistungsmessung ohne „leere“, also ohne „zu langsame“ Roll-Kilometer wie zum Beispiel im Windschatten einer Trainingsgruppe.

Gesundheit im Rennen
Aus den Rückschlägen 2009 und 2015, wo es beim RAAM jeweils ein DNF aufgrund von Lungenerkrankungen gab, hat mein Team sehr viel gelernt. Ich möchte hier nicht nur Dr. Robert Url, der mich 2018 großartig betreut und überwacht hat, erwähnen, sondern mich auch bei Dr. Rainer Hochgatterer (2011-2014), Dr. Arnold Schulz (2015-2016) und Dr. Florian Wimmer (2017) bedanken, die an der Entwicklung des Verpflegungs- und Ernährungskonzepts maßgeblich beteiligt waren und Schritt für Schritt die richtigen Erkenntnisse und Schlussfolgerungen für mich gezogen haben. Flüssigkeitseinlagerungen im Körper, bedingt durch „falsches“ Trinken bei großer Hitze, sind der erste Schritt und schließlich der Nährboden für aufkommende Erkrankungen. Diese Fehler gilt es einerseits zu vermeiden, andererseits muss auf die Gesundhaltung der Atemwege besonders geachtet werden (trockene Luft, Staub, Höhen- und Temperaturunterschiede)
2018 lief es also in gesundheitlicher Hinsicht perfekt, bis auf die üblichen unvermeidbaren Schmerzen in den Gelenken, den Handflächen und dem Gesäß – die aber allesamt keine großen Probleme darstellten – konnte ich über keine Beschwerden klagen und meine Leistung am Ende des Rennens im Vergleich zum Mittelteil sogar noch einmal steigern.

Kommunikation
Wichtig ist für mich persönlich auch der Funkkontakt zum Team, gute Gespräche sorgen für gute Laune und schließlich auch hohes Tempo, sowie nebenbei auch unterhaltsame Live-Streams (die auf Facebook noch zu sehen sind). Dank „Emser“ Lutschtabletten blieb mein Hals gesund und ich verlor nicht meine Stimme, durch die „Terrano“ Funkgeräte war der rauschfreie Kontakt jederzeit möglich.

Ausrüstung
Wie gewohnt setzte ich beim RAAM auf zwei Räder, neben dem „Shiv“, das für die flachen Passagen als Zeitfahrrad mit dem neuen Roval-Scheibenlaufrad zum Einsatz kam, vertraute ich in diesem Jahr erstmals auf das Specialized „Tarmac“ anstelle des Roubaix, das mit Roval Laufrädern und 26mm breiten Turbo-Reifen bestückt war. Zusätzlichen Komfort erhielt ich durch einen dämpfenden Vorbau von „Redshift“. Mit diesem Setup war ich im Vergleich zum Roubaix mit einem leichteren und agileren Bike unterwegs, das mit diesem Aufbau auch im Komfort nur minimal nachsteht. Dass ich kein großer Freund der Scheibenbremsen bin, dürfte mittlerweile schon bekannt sein, ich will dazu nur soviel sagen: Beide Systeme haben ihre Vorteile, für mich und das RAAM ist aber die Felgenbremse die definitiv bessere Wahl.

Meisterleistung des Teams
2018 lief in unserer Mannschaft alles wie am Schnürchen: Die Versorgung der Crew aus dem Wohnmobil heraus war hervorragend. Thomas „Kahli“ Kahlbacher und Philipp Bergmann hatten unser „Mutterschiff“ immer mit Lebensmitteln voll bepackt, es gab bei jedem Schichtwechsel ein warmes Essen für die erschöpften Betreuer, während die drei Personen, die ins Begleitauto wechselten, noch Verpflegung mitbekamen. Das Wohnmobil war stets sauber, aufgeräumt und wurde in einem vernünftigen Fahr- und Stehmodus gesteuert, sodass es sich immer zur rechten Zeit in mit „Kougi“ abgesprochener Distanz vor mir befand und für meine Schlafpause vorbereitet war; untertags stand es auch einige Stunden und gab der Crew die Möglichkeit, selbst zu schlafen. Das Management des Wohnmobils war unglaublich wichtig für die gute Stimmung innerhalb der Mannschaft.

Je drei Leute bildeten eine Tag- und eine Nachtschicht. Die Aufgabenverteilung war gut geregelt.
In der Tagschicht war Thomas „Bob“ Hämmerle der Fahrer und unser Experte für Technik und Elektronik. Florian Kraschitzer war als Teamchef-Stellvertreter für Taktik, Navigation, Live-Ticker und Live-Stream zuständig. Robert Url war der beaufsichtigende Arzt, er war für meine Verpflegung verantwortlich, führte das Ernährungsprotokoll und kontrollierte in jeder Pause meine Atmung und meine Blutwerte. In der Nachtschicht war Teamchef Michael „Kougi“ Kogler für die Gesamtstrategie und somit auch für die Verpflegung und die Pausenplanung verantwortlich und führte auch Protokoll darüber. Mein Trainer Markus „Max“ Kinzlbauer war Fahrer, Motivator und Coach – aber prinzipiell „Mädchen für alles“. Thomas „Tom“ Marschall war in den Stehzeiten unser Physiotherapeut und, während wir fuhren, der Navigator, der sich auch um den Live-Ticker und den Live-Stream im Internet kümmerte.

In beiden Schichten, die sich immer im Zwölf-Stunden-Rhythmus abwechselten, wurde das Mikrophon durchgereicht. Jeder versuchte sich immer wieder einzubringen und (wenn ich es brauchte) mit mir zu reden, mir vom Rennen zu berichten, mich mit lustigen Nachrichten oder dem Vorlesen meiner Facebook-Meldungen und Gästebucheinträge zu unterhalten und mich damit zu motivieren.

Das Medienteam bestand aus Alexander „Lex“ Karelly, der als verantwortlicher Medienbetreuer und Fotograf fungierte. Stefan Schmid war unser Kameramann, Manuel „Hausi“ Hausdorfer war Fahrer und der zweite Fotograf. Wir waren also auch medientechnisch bestens aufgestellt. Das Medienauto war bei den wichtigen Momenten immer in meiner Nähe, um die Fahrt zu dokumentieren, und war auch flexibel genug, um in Notfällen – bei Reifenpannen des Begleitfahrzeugs beispielsweise  – einzuspringen. Es wurden Fotos geschossen, bearbeitet und hochgeladen, es wurde gefilmt, geschnitten, vertont und das fertige Video auf YouTube online gestellt, und es wurde TV-Material an den ORF und andere Medienhäuser geschickt. Dies alles geschah während der Fahrt im Auto und nicht in einem Produktionsstudio. Die Fotos und die Webisoden erzeugten großen Anklang und erhielten viel Lob. Weitere wichtige Unterstützung hatten wir in der Heimat von meiner Lebensgefährtin Sabine und von Martin Rosenender, der RAAM-Aussendungen an die Medien verteilte.

Leistungswerte und Daten - Analyse von Coach Markus Kinzlbauer
Erstmals konnte die gesamte gefahrene Strecke in nur 4 Files aufgezeichnet (Garmin Edge 520 mit USB-Powerbank und power2max Type S & NG Specialized Leistungsmesser) und mit den (teils hochgerechneten) Werten der letzten Jahre verglichen werden.

Christoph erreichte beim diesjährigen Rennen die zweitschnellste jemals gefahrene Durchschnittsgeschwindigkeit (25,66km/h) – hierbei sind alle Stehzeiten miteingerechnet! Dies ist deswegen ein besseres Vergleichsmittel als die Endzeit, da die Streckenlänge und die Routenführung verändert worden sind und weiter verändert werden können. Somit hält er jetzt alle Top-Drei gefahrenen Höchstdurchschnittsgeschwindigkeiten (2013, 2014 und 2018, s. Tabelle). Nicht schlecht für ein Rennen mit einer durchschnittlichen Drop-out-Quote von 55%.

Seine Finish-Zeit von 8d1h23min ist sowohl die schnellste Durchgangszeit seit der Streckenverlängerung in Arizona, als auch – wie bereits erwähnt – die zweitschnellste Durchschnittsgeschwindigkeit die jemals bei diesem Rennen gefahren wurde, und dies trotz der zusätzlichen Höhenmeter.

Was sagen uns die weiteren Vergleiche der Daten? Christoph und sein Team konnten die Stehzeiten weiter minimieren und somit die Gesamtstandzeit auf unter 14h drücken, was eine echte Meisterleistung war.

Abgesehen von den letzten Stunden im Rennen war die Links-Rechts-Balance im Vergleich zu den letzten Jahren überaus ausgeglichen mit 51:49. Und erst an den vorletzten beiden Tagen kam es zu einem Shift Richtung 53:47.

Die Zeit ohne Treten halbierte er fast im Vergleich zu den beiden anderen Rekordjahren auf 5,87% der Zeiten in Bewegung und war mit 162,2 Watt normalized Power über die Gesamtstrecke ganz knapp am Ergebnis 2014. Christoph’s FTP lag vor dem Rennen bei 393W (CP20: 414W). Das RAAM 2018 ergab den errechneten Training Stress Score von 3173 TSS.

Wenn man die Grafik unten betrachtet, erhält man optisch (als auch rechnerisch) die Bestätigung, dass v.a. der Rückenwind am Beginn des 2014er Rennens einen Unterschied machte. An den anfänglichen 2 Spikes erkennt man die unglaublichen Durchschnittsgeschwindigkeiten an den ersten 4 Timestations. Das restliche Rennen amortisieren sich die Auf-und-Abs der beiden Kurven so ziemlich. Im restlichen Rennverlauf scheinen sich auch die aufgewendeten Kräfte um die erreichten Geschwindigkeiten zu erzielen in etwa die Waage zu halten. Beide Rennen waren von körperlicher Höchstleistung geprägt und der physiologische und mentale gesundheitliche Zustand 2018 muss als überragend festgehalten werden, da es bis auf den letzten Tag, wo es zu kleineren mentalen Einbrüchen gekommen ist, quasi keine gröberen Beschwerden oder Aussetzer gegeben hat.

Link: aktuelle Ausgabe (8/2018) des Rennrad-Magazins mit ausführlicher RAAM-Story incl. Trainingsplan-Auszügen: www.radsport-rennrad.de