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2017

24h-Track-Rekord

Christoph setzt neuen 24h Bahn-Rekord auf 941,8 Kilometer!

Sensationell, es ist vollbracht! Mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks spulte Christoph Strasser in den vergangenen 24 Stunden 3767 Runden mit 7534 Linkskurven im „Tissot-Velodrome Suisse“ in Grenchen (SUI) ab - und das mit nur einer dreiminütigen Pause! Der 34-jährige Steirer legte dabei mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 39,24 km/h 941 Kilometer - das entspricht der Distanz von Graz nach Rom - zurück, und stellte damit einen neuen 24h-Fabelweltrekord auf.

Ermöglicht wurde ihm dieses Event durch seinen Sponsor Specialized, der rund um Christophs Rekordversuch drei Tage lang Bike Days veranstaltete, wo neue Räder getestet werden konnten. Live-Moderation, Catering, Bike-Parcours und eine Bike-Expo rundeten das Rahmenprogramm ab und lockten einige hundert Zuschauer in das Tissot-Velodrome Suisse.

Während 99,99 Prozent der Menschheit ihren täglichen Schlaf genossen und viele ÖsterreicherInnen der Nationalratswahl entgegenfieberten, gab es einen, der stattdessen Runde um Runde auf der 250 Meter langen Radbahn im Schweizer Grenchen abspulte. Christoph Strasser, der vierfache Gewinner des Race Across America, startete gestern pünktlich um 13:00 Uhr seinen 24h Bahn-Weltrekordversuch. Das Event fand im Rahmen der „Specialized-Days Grenchen“, wo mehr als 500 Hobbyradfahrer aus ganz Europa die neuesten Rad-Modelle testen konnten, statt. Kontrolliert wurde der Rekordversuch von drei Offiziellen des Ultramarathon-Weltverbandes (UMCA/WUCA). Besonders schön war es, dass der Rekordhalter von 2010, Marko Baloh (er fuhr 903km auf der Bahn in Montichiari), sich bereit erklärte, gemeinsam mit seiner Frau Irma als Officials tätig zu sein. Als dritte Offizielle fungierte Anna Mei, die italienische Bahn-Rekordhalterin bei den Frauen (1000km in 35 Stunden und 11 Minuten).

Vorbereitung mit einem Jahr Verzögerung
Kurzer Rückblick: Bereits im Oktober 2016 wollte Christoph im schweizerischen Grenchen auf der Bahn seinen Weltrekordversuch wagen. Doch aufgrund einer Nasennebenhöhlenentzündung zur Absage gezwungen, wurde der Rekordversuch auf Oktober 2017 vertagt.

Bereits in der Vorbereitungszeit und bei vielen Trainingseinheiten im Wiener Dusika-Stadion wurde Christoph bewusst, dass dieses Vorhaben wohl kein einfaches sein und ihn vor eine komplett neue Herausforderung stellen würde. Die 6-stündige Generalprobe verlief optimal und Christoph konnte problemlos 252W treten und dabei etwas mehr als 250 Kilometer zurücklegen.
Wie sehr er im Velodrom tatsächlich an seine Grenzen gehen würde und was 24 Stunden auf der Bahn wirklich bedeuten, wurde ihm erst klar, als der Startschuss bereits gefallen war.

Die ersten Stunden
Pünktlich um 13 Uhr am Samstag, den 14.10.2017 entließ die Startmaschine Christoph auf seine erste Runde auf der Bahn, 3766 sollten folgen.
Die ersten Stunden verliefen nach Plan, doch dann hatte Christoph mit massiven Magenproblemen zu kämpfen. Durch die starre Position am Zeitfahrrad und das nur kurz mögliche Wiegetritt-Fahren auf den nur wenige Meter langen Geraden, konnte Christoph seinen Oberkörper so gut wie nie durchstrecken und musste sehr bald mit Schmerzen im Rücken kämpfen. Diese gekrümmte Position führte aber auch dazu, dass sein Verdauungstrakt zusammengepresst wurde und verursachte enorme Übelkeit. Gegen das Problem war kein richtiges Kraut gewachsen, Christoph drosselte die Nahrungsaufnahme, da er kurz davorstand, sich übergeben zu müssen.

„Nach ein paar Stunden hab ich mich gefragt: Oida Strassa, worauf hast du dich da eingelassen?"

Nach sechs Stunden und knappen 1.000 Runden lag Christophs Stundenmittel trotz Übelkeit bei 41,7 km/h. Gegen Mitternacht ließ die Leistung dann etwas nach, Christoph und sein Betreuerteam versuchten die Ernährung so umzustellen, dass sich der Verdauungstrakt beruhigen würde und die Leistung aufrecht erhalten werden konnte. Unruhe schafften diese Probleme jedoch nicht, Christoph blieb vollkommen ruhig und versuchte eine Lösung für das Problem zu finden.
Zu der Belastung im Magen-Darmtrakt gesellten sich dann jedoch noch zwei andere Faktoren, die langsam begannen, den vierfachen RAAM-Sieger zu zermürben. Die ewig gleiche, monotone und nur 250 Meter kurze Runde förderte die Müdigkeit, die sich Christoph jedoch nicht erlauben durfte. Auf der Bahn zu fahren erfordert höchste Konzentration, denn durch kleine Konzentrationsfehler kann es schnell zu einem Sturz kommen, vor allem in den steilen Kurven.

 

„So ein Rekordversuch auf der Bahn ist das schwierigste und langweiligste, was man machen kann. Vor allem die mentale Komponente, um gegen die Eintönigkeit anzukämpfen, spielt hier eine große Rolle!“

Zwischendurch fiel dann auch noch der Funk aus und Christoph war phasenweise von seinem Team abgeschnitten. Zum Glück war auch Elektronik-Ass und Betreuer Bob abends in Grenchen angekommen und löste so schnell wie möglich das immer wiederkehrende Funkproblem. Ein weiteres Problem, dass sich nun herauszukristallisieren begann war, dass Christoph durch die verringerte Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme und den ständigen Druck auf das Gesäß absolut kein Bedürfnis verspürte, eine „Pinkelpause“ einlegen zu müssen. Zuerst schien dieses Problem nicht wirklich gravierend zu sein, mit der Zeit begannen sich seine Betreuer jedoch Gedanken zu machen, ob die Grundversorgung wohl ausreichen würde, um genug Energie für 24 Stunden zu haben.

Mit Fortschreiten der Nacht und zwei Stunden ohne Verpflegung erholte sich der Magen und Christoph konnte endlich wieder über 200 Watt aufs Pedal bringen, davor waren seine Leistungswerte auf 190 Watt gefallen. Er wusste zwar, dass die aktuellen Werte reichen würden, um die Rekordmarke einzustellen, aber sein gesetztes Ziel von einem 40er Schnitt und damit 960km war in weite Ferne gerückt.
Funksprüche in einem Ohr und der mp3 Player am anderen Ohr halfen ihm dabei, konzentriert zu bleiben. Eine weitere hilfreiche Technik um etwas Abwechslung ins Fahren im Oval zu bringen war der Flaschenwurf: Im Mitlaufen wurde Christoph eine Flasche vom Team gereicht, die er nach 2 Runden entleert wieder von sich gab – nämlich per Wurf in eine übergroßen selbstgebastelten „Basketballkorb“. Seine Trefferquote lag bei 99%, nur einmal verfehlte eine leere Ensure-Flasche ihr Ziel.

Christoph fuhr genau 22 Stunden, ehe er die erste und einzige Pause für die Notdurft absolvieren konnte. Eine knappe Stunde vor Ende der 24 Stunden knackte er dann die bisherige Rekordmarke von 903 Kilometern und fuhr dann noch einmal wie entfesselt. Die Stimmung in der Halle wurde immer besser, der Zuschauerraum füllte sich, und Christoph kam noch einmal richtig in den Flow, trat Leistungswerte wie in den ersten Stunden und erkannte seine Chance, jetzt etwas Historisches schaffen zu können. In der verbleibenden Zeit fixierte er mit insgesamt 941,87 Kilometern, einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 39,24 km/h und insgesamt 3767 Runden einen neuen Weltrekord!
Christophs Fazit, nachdem er von Marko Baloh die Urkunde für den neuen UMCA-Rekord erhielt:

„Die Kombination aus Monotonie und höchster Konzentration ist das zermürbendste, was ich je erlebt habe. Dadurch dass ich unter dem Zeitfahrhelm die Umgebung nicht hörte und so gut wie keinen Kontakt zum Team hatte, war ich auf mich allein gestellt und musste einfach akzeptieren, dass ich die Leistung nicht so hoch halten konnte, wie erhofft. Ich bin einfach nur froh und erleichtert, dass ich trotz Problemen den Rekord geknackt habe. Ich bin durch Kontinente und Länder gefahren, habe den 24h Straßen-Weltrekord in Berlin aufgestellt: Aber das heute ist mit fast nichts anderem vergleichbar“.

Doch bevor es zum Feiern ging, musste Christoph noch zur Dopingkontrolle, durchgeführt von der Schweizer Anti-Doping-Agentur. 

Auch Meisterleistung der Crew
Nicht nur für Christoph Strasser waren es anstrengende, schlaflose 24 Stunden. Auch seine fünfköpfige Betreuercrew vollbrachte eine großartige Leistung: Die Flaschenübergaben wurden im Sprint absolviert. Alle 15 bis 20 Minuten bekam der Steirer eine Flasche mit Getränken oder hochkalorischer Flüssignahrung. „Das waren jeweils 30 bis 50 Meter lange Sprints, insgesamt kamen wir auf über 2,5 Sprintkilometer“, beschrieb Teamchef Michael Kogler.